AStA der Medizinischen Hochschule Hannover

Habemus StuPa!

Eine quantitative Analyse und ein Kommentar zu einer verpassten Chance

Vom 20. bis 27. Januar haben wir, die Studierendenschaft der MHH, unser neues Studierendenparlament gewählt. Oder zumindest 28,11% von uns. Die gute Nachricht: die Wahlbeteiligung hat damit ein Rekordhoch erreicht und liegt knapp sieben Prozentpunkte über der des Vorjahres (21,29% 2019). Die gewählten Vertreter*innen –  an dieser Stelle herzlichen Glückwunsch an allen Gewählten – können sich also einer vergleichsweise hohen Legitimation erfreuen. Die schlechte Nachricht: nicht einmal ein Drittel der Studierenden hat den Weg ins virtuelle Wahllokal gefunden, um ihre Vertreter*innen für das – nach der Vollversammlung – höchste Gremium der verfassten Studierendenschaft zu bestimmen. Schade!

Den Wert verfasster Kollegialorgane zu vermitteln wird auch eine Herausforderung des neu gewählten StuPas sein.

Wie setzt sich das StuPa zusammen?

Wer gewählt wurde, könnt ihr der Bekanntmachung des (vorläufigen) Wahlergebnisses im Ilias entnehmen. An dieser Stelle soll deshalb eine abstrahiertere Betrachtung erfolgen.

Die 21 Sitze des Stupas werden von elf Frauen und zehn Männern besetzt, womit – innerhalb eines binären Geschlechtersystems[1] – von einer paritätischen, aber keinesfalls von einer repräsentativen Besetzung gesprochen werden kann.

Abbildung 1: Verteilung der Sitze auf die Geschlechter*

Vertreten sind in einem Verhältnis von 3:2:1 die Studierenden der Human- und der Zahnmedizin sowie in Form eines gemeinsamen Fachrates die Biomedizin*innen und die Biochemiker*innen. Damit wird die Verteilung der Studierenden annähernd abgebildet. 

Abbildung 2: Verteilung der 21 Sitze auf Abgeordnete der Studiengänge bzw. des Fachrates

Im Median sind die gewählten Vertreter*innen im 7. Semester[2] während die zu Stellvertreter*innen gewählten Studierenden sich z.Zt. der Wahl im Median im 5. Semester befanden.

Abbildung 3: Verteilung nach Semestern

Apropos Stellvertreter*innen…

Unserer aktuellen Wahlordnung zufolge werden all diejenigen, die sich aufstellen lassen und mehr als eine Stimme auf sich vereinigen können, zu Stellvertreter*innen und damit zu ordentlichen Mitgliedern des Studierendenparlaments. Es braucht sich also bei dieser Wahl niemand als Verlierer*in betrachten. Die Stimmen der Stellvertreter*innen finden im Parlament gleichermaßen Gehör wie die „Haupt-“Vertreter*innen. Wenn ein Platz im StuPa unbesetzt bleibt – aus welchem Grund auch immer – sieht die Regelung vor, dass die anwesenden Stellvertreter*innen in der Reihenfolge ihrer Stimmenmehrheit nachrücken.

Bei einer so versöhnlichen – und wenig demokratischen? – Regelung gibt es doch dann keinen Grund zum Meckern, oder?

Abbildung 4: Bildschirmfoto eines Chatverlaufs

Wie ist dann die Enttäuschung einer Kommilitonin und ehemaligen Stupistin zu erklären?

Wer wurde warum gewählt?

Um den Antworten auf diese Fragen auf den Grund zu gehen habe ich die Bewerbungsbögen aller Kandidat*innen getrennt nach „Haupt-“Vertreter*innen und Stellvertreter*innen, auf Angaben zu Engagement in der Gruppe Erstsemesterarbeit (GEA), der Medimeisterschaften-Organisation und auf eine Liste von Stichworten (s.u.) durchsucht.

Die dahinter stehende These lautet:

Ob ein*e Kandidat*in gewählt wird, hängt in erster Linie von ihrer Bekanntheit und weniger von ihren formulierten Zielen für die Legislatur ab.

Da sich die Bekanntheit nicht direkt aus den Bewerbungsbögen ableiten lässt, habe ich folgende Korrelation als gegeben angenommen: Menschen, die in der GEA und der Medimeisterschaften-Orga, den beiden mitglieder- und reichweitenstärksten Projektgruppen an unserem Campus aktiv  sind, sind bekannter, als solche, die sich anderweitig engagieren.

Von den 21 Stupist*innen sind acht in der GEA und sechs in der Medimeisterschaften-Orga während von den 20 Stellvertreter*innen lediglich vier in der GEA und zwei in der Medimeisterschaften-Orga aktiv sind. Daraus ergibt sich zumindest eine zahlenmäßige Dominanz von GEAner*innen und Medimeister*innen in den Reihen der „Haupt-“Vertretung. Was für Auswirkungen das in der Praxis auf die Entscheidungen des StuPas hat, lässt sich daraus nicht ableiten.

Welche Stichworte wurden untersucht?

Bei der Stichwortsuche habe ich die reine Häufigkeit notiert. Der so gewonnene quantitative Einblick erlaubt in der Tendenz eine Abschätzung der hochschulpolitischen Ausrichtung und Intention.

Abbildung 5: Häufigkeitsverteilung der gebrauchten Stichworte (Der Übersicht halber habe ich die Stichworte für die Auswertung in Gruppen zusammengefasst, weshalb bei Studiengangsstruktur, Masterplan 2020, NKLM Balken zu sehen sind, obwohl das Stichwort “NKLM” nicht gebraucht wurde (s.u.))

Auffällig ist, dass sich die zu Stellvertreter*innen gewählten Personen im Vergleich zu den „Haupt-“Vertreter*innen v.a. als „kritisch“ bezeichnen und in ihrer Bewerbung deutlich häufiger Begriffe aus den Bereichen Klima/Umwelt/Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Gender/Feminismus gebraucht haben. Insgesamt scheint der Umfang der eingesetzten Stichworte – zumindest vor der Auswahl der untersuchten Worte – bei den Stellvertreter*innen größer zu sein. So lassen sich lediglich in Bezug auf die Häufigkeit des Einsatzes der Stichworte „GEA/Gruppe Erstsemesterarbeit“ und „Medis/Medimeisterschaften“ deutliche und hinsichtlich der Stichpunkte „Lehre“, „BVMD“ sowie „Studiengangsstruktur/Masterplan 2020/NKLM“ kleine Unterschiede feststellen.

Interessanterweise wurden einige der Stichworte – in guter Wissenschaftlicher Praxis habe ich die Stichworte festgelegt bevor ich die Vorstellungen der Kandidat*innen daraufhin durchsucht habe – gar nicht oder nur ein einziges Mal erwähnt.

Die Worte „Zugang“, „Antifaschismus“, „Privileg/privilegiert“, „NKLM/Nationaler kompetenzbasierter Lernzielkatalog“ wurden gar nicht gebraucht, während der Ausbau des „WLAN/WiFi“ von nur einer Person erwähnt wurde.

Limitationen

Es handelt sich um eine rein quantitative Betrachtung, die deshalb mit entsprechender Vorsicht und einem Augenzwinkern zu interpretieren ist:

  • Zum Teil hat eine Person mehrfach dasselbe Stichwort verwendet, weshalb es dann auch mehrfach eingegangen ist: „Als GEA-Vorstand möchte ich […]. Daher möchte ich mich über die reine GEA-Arbeit hinaus […] engagieren.“
  • Die Liste der betrachteten Stichworte ist außerdem zu kurz, um die Interessen der Kandidat*innen wirklich zu erfassen.
  • Die Vorstellungsbögen dürfen nicht als abschließende Agenda betrachtet werden  und (Achtung These!) die Interessen der Kandidat*innen werden an vielen Stellen weit über das preisgegebene hinausreichen.
  • Alle Abgeordneten sind frei in ihren Entscheidungen und nur ihrem Gewissen unterworfen, weshalb der Wert von Bewerbungsbögen nicht überschätzt werden darf.

(M)Ein Kommentar

Aller Einschränkungen zum Trotz sollten wir uns Fragen wen wir warum gewählt haben (oder im Falle der Mehrheit: gar nicht gewählt haben). Das StuPa stellt im idealen Fall die Interessenvertretung aller Studierenden dar. Eine heterogene Zusammensetzung könnte dazu verhelfen.

Ohne einen Generalverdacht schüren zu wollen, sollte vor dem Hintergrund des während der Vollversammlung zum Ausdruck gebrachten, einseitigen Verständnis von Demokratie der großen Anhängerschaft der Projektgruppe „Medimeisterschaften“ die Motivation zur Kandidatur kritisch hinterfragt werden.

Ähnliches gilt für die GEA, die vielen Erstis einen unvergesslichen Einstieg ins Studium bieten, mit ihrer burlesquen Ersti-Show, den Spielen während der MHH-Ralley und den Namen ihrer Tutor*innen-Gruppen immer wieder individuelle Grenzen überschreitet.

Wir leben in einer Zeit ausufernden Neoliberalismus und wachsenden Autoritarismus, in der durch Rückbesinnung auf Nationalismen rechten Tendenzen Vorschub geleistet wird. Gerade deshalb brauchen wir wache und emanzipatorische (hochschul-)politische Organe!

Das Studierendenparlament kann zu allen grundsätzlichen Fragen, die die Studierendenschaft betreffen, Stellung nehmen, beraten und beschließen. (§8, Verfassung der Studierendenschaft) Nicht weniger sollte der Anspruch sein, wobei ich den Beratenden und Beschlussfassenden wünsche, dabei immer das Wohl der gesamten Studierendenschaft im Auge behalten zu können.

In diesem Sinne blicke ich gespannt auf die konstituierende Sitzung am 13. Februar und freue mich auf eine lebhafte Legislatur.

Alle Stellvertretenden aber auch „nur“ (hochschul-)politisch Interessierten möchte ich an dieser Stelle noch einmal ermutigen, an den Sitzungen teilzunehmen und sich einzubringen. Es lohnt sich!

Liste der Stichworte:

  • kritisch
  • kritische Mediziner*innen
  • nachhaltig, Nachhaltigkeit
  • Umwelt
  • Gerechtigkeit
  • Geschlechtergerechtigkeit
  • Gender
  • Fairness, fair
  • (Studiengang-)Strukturreform
  • Transparenz
  • Nachteil, Benachteiligung
  • Klima
  • CliMeds
  • Aufklärung, Aufklärung Organspende
  • Zugang
  • Verteilung
  • StuKo, Studienkommission
  • Senat
  • werbefrei, Werbefreier Campus
  • Beitrag, AStA-Beitrag
  • Kultur
  • Festival
  • Party, MHH-Party
  • GEA
  • Medis, Medimeisterschaften
  • Feiern
  • Ausland, ausländische Studierende
  • Rassismus
  • Feminismus
  • Antifaschismus
  • Wifi, WLAN
  • Mensa

[1]Einschränkung gilt auch für Abbildung 1

[2]Semester beziehen sich auf den jeweiligen Studiengang. Die Studiengänge haben unterschiedlich viele Semester Regelstudienzeit. Humanmedizin 12 (auch PJ-Studierende sind an der MHH wahlberechtigt!), Zahnmedizin 10 und der Masterstudiengang Biochemie vier. Damit sind die Studiengänge nicht direkt miteinander vergleichbar, was bei der Interpretation berücksichtigt werden muss.

/jw